Juliane Gallo über das Projekt der W5 und die Arbeit unter dem Titel
FLUCHT.PUNKTE -
KUNSTAUSSTELLUNGSMENSCHEN
in der KunstWerkstatt am Weinberg
Eindrücke der Kulturbeauftragten der Documenta14, Frau Juliane Gallo, zum Kunstprojekt der W5 im Dokumentajahr 2016
Besucherinnen (in der Mehrzahl) und Besucher in Ausstellungen zu erleben und manchmal zu beleben - Dialoge zu führen, Handlungsanteile zu integrieren, Brücken zu bauen und (Sprach)Barrieren abzubauen - das war viele, viele Jahre mein Berufsfeld. Kritisches Sehen und dabei gemeinsam laut Denken und Lernen – das macht mir unglaublich viel Spaß.
Jetzt bekam die Kunstwelt den Spiegel vorgehalten, mit der gnadenlosen Beobachtungsgabe und Radikalität von aufrichtig-kritischen jungen Erwachsenen.
Als ich die .Aufführung des Theaterstücks der Abschlussklasse der Jean-Paul-Schule zum ersten Mal erleben konnte, war ich mehr als beeindruckt, geflasht und gleichzeitig schämte ich mich etwas für eine offensichtliche Überheblichkeit von „professionellen“ Kunstverstehern (so gesehen aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler). Wie sich manche Menschen im abgeschlossenen und ausschließenden Kunstraum (Ausstellung/Museum) verhalten, das wurde durch die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler geradezu körperlich erfahrbar. Aua! Das tat echt weh.
Was hat denn Kunst mit der Lebenswelt Jugendlicher zu tun, die aktuell vollkommen andere Probleme haben?
Diese Fragestellung wurde in dem Stück auch total genial eingearbeitet. Interviews und Befragungen an Kasseler Passanten, Schülergruppen und Arbeitnehmer in Geschäften der Innenstadt - das war sehr authentisch und hat verschiedene Meinungen und Einstellungen einbezogen, ohne dass Fragen abschließend beantwortet wurden. Per Videoeinspielung wurde ich als Zuschauerin voll mitgenommen. Die Lifemusik-Performance und die teilweise psychodelischen Film- und Fotoüberblendungen im Hintergrund der Bühne haben mich sehr verwirrt und berührt. Ich hatte die ganze Zeit riesengroßen Respekt vor den teilweise schwierigen Dialogen (Kunstexperten im Museum) und den philosophischen Soloauftritten, die einen ganzen Fächer an Emotionen gezeigt haben. Ich hatte die Schülergruppe kennengelernt, als noch gar nichtfestgelegt war, was aus der Beschäftigung mit Kunst und documenta entstehen würde. Wirklich toll, dass hier solche freien Schulprojekte - ohne festgezurrte Vorgaben - ergebnisoffen - realisiert werden können. Ich habe jedenfalls viel gelernt.
Liebe Grüße,
Juliane